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Forschungsprojekt NaviNut

Auf einem Tisch stehen mehrere Porridge-Verpackungen mit unterschiedlich designten Labels in gelb oder rot, mit einem Zebra oder Löwen darauf.

Forschungsprojekt „NaviNut“ stärkt Rolle von Frauen

FH-Team unterstützt Frauen in Benin und Kenia dabei, die Ernährung von Kindern zu verbessern – Marktforschung und Verpackungsdesign

Soest. Die Qualität der Ernährung von Kindern in Sub-Sahara-Afrika zu verbessern, das ist das Ziel von „NaviNut“. An dem Forschungsprojekt beteiligt ist ein Team der Fachhochschule Südwestfalen, das seine Expertise auf dem Gebiet der Agrarökonomie einbringt. Eine immer noch wachsende Weltbevölkerung mit ausreichender und gesunder Nahrung zu versorgen, zählt zu den zentralen globalen Herausforderungen der Gegenwart. Besonders in von Armut und von herausfordernden klimatischen und gesellschaftlichen Bedingungen geprägten Regionen bleibt die Versorgung schwierig. Das Akronym „NaviNut“ steht für den Projekttitel „Stärkung der Handlungskompetenz von Frauen in sich verändernden Ernährungsumfeldern zur Verbesserung der Kinderernährung in afrikanischen Trockengebieten“. Gemeinsam mit Forschungspartnern und Frauengruppen vor Ort arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs Agrarwirtschaft daran, Entscheidungen für gesündere Lebensmittel zu fördern und damit auch die Rolle von Frauen in Bezug auf ihre Verantwortung für Ernährung und Gesundheit zu stärken.

Globale Veränderungsprozesse ziehen komplexe gesellschaftliche Transformationen nach sich, mit deutlichen Folgen auch für die Ernährungssituation der Menschen in afrikanischen Trockengebieten. Der Mangel an ausgewogenen und gesunden Lebensmitteln führt insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren zu Unter- oder Mangelernährung. Staatliche und nichtstaatliche Programme zur Verbesserung der Ernährungssituation haben bisher nicht die erhofften Effekte gebracht, weil das Verständnis für die komplexen und dynamischen Entscheidungen von Frauen bezüglich der Auswahl von Nahrungsmitteln für ihre Kinder fehlt und nährstoffreiche Lebensmittel nicht oder nicht ganzjährig verfügbar, zugänglich und bezahlbar sind. Hier setzt das Projekt „NaviNut“ an. Wichtige Projektziele sind, das Verständnis für das persönliche Ernährungsumfeld vor Ort zu verbessern und die Entscheidung für lokal verfügbare, gesunde Lebensmittel zu stärken, indem die Zugänglichkeit zu nahrhaften Lebensmitteln verbessert wird. Mittels gezielter Verbraucherkommunikation soll die Attraktivität solcher Lebensmittel erhöht und so die Kaufentscheidung für gesunde, traditionelle Lebensmittel angeregt werden. Zielgruppen sind vorrangig Frauen in Benin und Kenia, die sich um die Ernährung ihrer Familien sorgen sowie weitere Beteiligte der Wertschöpfungskette, die an Produktion, Verarbeitung und Verkauf von traditionellen Lebensmitteln beteiligt sind.

Frauen vor Ort aktiv in Forschungs- und Entwicklungsprozess eingebunden

Das Verbundprojekt wird koordiniert vom Deutschen Institut für Tropische und Subtropische Landwirtschaft (DITSL). Weitere Partner in Benin und Kenia sind Universitäten sowie lokale Forschungs- und Nichtregierungsorganisationen, die auch den Kontakt zu Frauengruppen vor Ort herstellen. Das auf jahrelanger vertrauensvoller Zusammenarbeit basierende Netzwerk ist maßgeblich für den Erfolg des Projekts: „Der Forschungsansatz ist partizipativ und ko-kreativ, was bedeutet, dass Frauen vor Ort aktiv in den Forschungs- und Entwicklungsprozess eingebunden werden und ihre Wünsche und Bedürfnisse in die Entscheidungen der Forschungsgruppe prägend mit einfließen. Die Arbeit der Organisationen vor Ort ist dabei ganz entscheidend. Als externer Akteur ein Projekt vor Ort starten zu wollen, ohne bereits Beziehungen zu den Gruppen zu haben, ist schwierig“, skizziert Prof. Dr. Marcus Mergenthaler als Leiter der FH-Forschungsgruppe die wesentliche Herausforderung. „Wir wurden als Partner vom DITSL angefragt, weil wir Erfahrungen im Bereich Agrarmarketing und in der Analyse von Vermarktungssituationen haben, insbesondere im Bereich des Eye-Trackings. Das ist eine spezifische Methode, um Kommunikationsinstrumente, die im Marketing verwendet werden, zu analysieren und entsprechend weiterentwickeln zu können“, fasst der Professor für das Fachgebiet Agrarökonomie die Kernaufgaben zusammen.

Porridge-Verpackung mit auf der Packung verteilten kleinen Kreisen, in denen Zahlen von 1 bis 20 stehen. Die Kreise zeigen an, in welcher Reihenfolge und für wie lange die unterschiedlichen Elemente betrachtet wurden.

Blickverlauf einer Versuchsperson bei der Betrachtung eines ersten Prototyps eines Verpackungslabels. Es handelt sich um ein Label für eine verpackte Breimischung/Porridge (vordergründig zur Kinderernährung) welche von einer lokalen Frauengruppe hergestellt wird. Für dieses Porridge sollte ein attraktives und informatives Verpackungslabel entwickelt werden, welches geeignet ist, die Haupt-Zielgruppen (Mütter und Kinder) anzusprechen. Dazu wurden basierend auf Vorerhebungen und Abstimmungen mit der Frauengruppe verschiedene Labelvarianten entwickelt und mittels stationärem Eye-Tracking getestet.

Identifikation schaffen

Konkret war das Team der Fachhochschule Südwestfalen damit beauftragt, geeignete Verpackungsdesigns für regionale Nahrungsmittel gemeinsam mit den Frauengruppen zu entwickeln. Mit einer optisch ansprechenden Verpackungsgestaltung sollen Kaufanreize für gesunde Lebensmittel geschaffen werden. „Dabei kann man nicht einfach hergehen und die Erkenntnisse aus der Forschung im europäischen Markt auf die Zielregionen in Kenia und Benin übertragen. Das Produkt muss ja der Zielgruppe vor Ort gefallen und die Produzentinnen, die zum Beispiel ein Porridge herstellen und verkaufen möchten, müssen sich damit identifizieren können“, erläutert Dr. Iris Schröter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich. Sie hat ihre Kollegin Ina Cramer aus Soest und die Kollegen Diba T. Roba aus Kenia und Adrien Dogo aus Benin methodisch begleitet und unterstützt. Es wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort angeleitet, Marktforschung betrieben, Befragungen vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet sowie bei Video-Aufzeichnungen und Tests unterstützt.

Von Bestandsaufnahme über Eye-Tracking bis zum finalen Verpackungslabel

Aufgrund von Reisebeschränkungen und zeitweise problematischer Sicherheitslage war das Team der Fachhochschule Südwestfalen auch immer auf tatkräftige Unterstützung der Partner vor Ort angewiesen. Diese machten zunächst eine Bestandsaufnahme, welche Nahrungsmittel für Kinder in den Zielregionen angeboten werden, wie die Verpackungen aussehen, welche Zertifikate oder Labels im Umlauf sind und was diese aussagen. Eine Befragung des Verkaufspersonals von Lebensmittelgeschäften lieferte erste Erkenntnisse, welche Produkte sich gut verkaufen und welchen Einfluss ausgewählte Produkt- und Verpackungseigenschaften auf die Kaufentscheidung haben. Daraus leitete das Team Annahmen für erste Designentwürfe ab. Die unterschiedlichen Verpackungslabels wurden zunächst im Rahmen von Online-Experimenten getestet. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden die Layouts der Produktverpackungen angepasst und im Rahmen eines Eye-Tracking-Experiments erneut getestet. Zur Durchführung des Eye-Tracking-Experiments reisten die Wissenschaftlerinnen der FH in die Zielregion nach Kenia. Für das Experiment wurden die Testpersonen mit einer Eye-Tracking-Brille ausgestattet, d.h. einer speziellen Brille, die Blickbewegungen erfassen kann. Auf diese Weise können Erkenntnisse über die visuelle Aufmerksamkeit und verbundene kognitive Prozesse und damit über bewusste und unbewusste Vorgänge der Informationsverarbeitung erlangt werden. Insgesamt wurde das Verpackungsdesign fast über die gesamte Projektlaufzeit von drei Jahren hinweg in mehreren Test- und Anpassungsstufen verfeinert. Zuletzt wurde noch ein umfangreicher Markttest mit Produktverköstigungen gemacht. Die finalen Versionen werden jetzt in den Zielregionen in Benin und Kenia auf den Verpackungen, der von den Frauengruppen produzierten Kindernahrungsmittel genutzt.

Weitere Formate vorgesehen

Das Projekt „NaviNut“ ist abgeschlossen und wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit insgesamt 1.485.890,41 Euro gefördert, Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Für einen nachhaltigen positiven Effekt auf die Ernährungskompetenz der Mütter sind weitere an die Bedürfnisse angepasste Formate wie Workshops und Diskussionsrunden vorgesehen.

externer Inhalt (Youtube) Im Hintergund blickt eine Frau auf mehrere Porridge-Verpackungen auf dem Tisch vor ihr und trägt eine Eye-Tracking-Brille. Im Vordergrund schaut an einer Frau über die Schulter, die an einem Laptop sitzt und auf dem Bildschirm den Blickverlauf der Frau mit der Eye-Tracking-Brille verfolgt.

Im Video geben Prof. Dr. Marcus Mergenthaler und Dr. Iris Schröter Einblicke in das Forschungsprojekt NaviNut.